Elf Lieder machen Sommer im Kopf – The Kooks liefern mit „Never/Know“ musikalische Antidepressiva

Elf Lieder machen Sommer im Kopf – The Kooks liefern mit „Never/Know“ musikalische Antidepressiva. Es sei „hart an der Spitze“ singt Luke Pritchard. Ein Reggaestück ist dieses „Tough at The Top“, aber der Offbeat wechselt mit treibendem, punkigem Rock’n’Roll. The Police machten das so ähnlich in ihren frühen Tagen. Ambivalenter Sound, ambivalenter Text: Der Sänger der Kooks klagt, das Gesicht der Band sein zu müssen, „der, dessen Kopf auf der Guillotine liegt“.
Pritchard will das Starsein nicht, Pritchard findet’s aber zugleich gut, und amüsiert sich über sich selbst. Dieses Einerseits/Andererseits mochte man schon immer an der Band aus Brighton, seit sie Anfang 2006 aufschlugen - im Schatten der Arctic Monkeys aus Sheffield, die ihr erstes Werk am exakt selben Tag herausbrachten und allseits gefeiert wurden. „Kann man vergessen“, schrieb der „Rolling Stone“ (US-Ausgabe) dagegen über „Inside in/Inside out“ der Kooks. Zwei Millionen Exemplare wurden dann verkauft. Jetzt ist das verflixte siebte Album da.
Es ist verflixt schön und heißt „Never/Know“. Und was die Gitarristen Pritchard und Hugh Harris, (Tour-)Bassmann Jonathan Harvey und Drummer Alexis Nunez draufpacken, ist ein prächtiges Querbeet der Popgeschichte: mit dem R&B der Sixties („China Town“), Mit Bezügen zu frühen Beatles („If They Could Only Know“) und Kinks („Let You Go”), mit Funk („Arrow Through Me“), Reggae („Sunny Baby“) und Brit-Gospel („Echo Chamber”).
Alles ist unverschämt catchy. Song für Song macht „Never/Know“ Sommer im Kopf des Hörers. Im Titelstück geht es um Leben ohne Angst vorm Leben, auch wenn man nie weiß, was hinter der nächsten Ecke auf einen wartet. „Sunny Baby“ ist eine Aufforderung des jungen Familienvaters Pritchard dazu, die Balance zu finden, sich nicht unterkriegen zu lassen von all den schlechten Nachrichten.
Es geht in den Songtexten auch mal um DunkleresFreudvoll drauflosleben steht laut Pritchard als Überschrift über dem gesamten Album. Elf Pop-Antidepressiva, die man dieser Tage gut brauchen kann und die funktionieren, auch wenn es textlich mal um Dekadenz, Erinnerungen an liebe Verstorbene, die Abrechnung mit einer Ex geht. Oder wenn es - in „Compass Will Fracture“ – um die Verdrehung von Wahrheit, den Verlust der Moral geht. Bei diesem Song, den Pritchard „einen Sozialkommentar über das, was in der Welt passiert“, nennt, klingen die Kooks nach Kinks und Stones zugleich.
Luke Pritchard 2006 in der "New York Times"
Als „unwahrscheinlichen Rockstar“ bezeichnete die „New York Times“ Pritchard 2006, als die Schulfreunde aus Brighton es auch in Amerika versuchten. „Wir sind die Art von Leuten, die ein Hotelzimmer verwüsten und es danach wieder aufräumen“, erklärte der Sänger damals der Zeitung. Die das Geheimnis der Band denn auch in ihrer „Dichotomie von cool und uncool sah“. Ein Frontmann, der das Dolce-&-Gabbana-Etikett seiner Lederjacke überklebte, weil er sie liebte und zugleich nicht als Markenfetischist rüberkommen wollte. Echt jetzt?
Besser als all die unreflektierten Gecken im Biz der Blender. Und am Ende zählt eh die Musik. Mit „Never/Know“ kann Pritchard beruhigt den Kopf überall hinlegen – Fallbeile sind anderswo. Und ja, man weiß nie, was einem um die Ecke begegnet. Aber in diesem Fall könnte es das erste Nummer-1-Album der Kooks in Deutschland sein.
The Kooks – „Never/Know“ (Virgin Music/Universal)
rnd